AUS DER SICHT EINES TIERARZTES
DR. GEORG MAHR
Zu diesem Thema wollen wir unseren Vereinstierarzt, Dr. Georg Mahr, zu Wort kommen lassen.
DAS BEHINDERTE TIER BEIM TIERARZT
Die Entscheidung ein behindertes Tier aufzunehmen, sei es als kurzfristige Pflegestelle oder auch als Dauerplatz, sollte wohl überlegt sein. Nicht nur der Kostenfaktor spielt hier eine sehr wichtige Rolle, auch Zeit und ebenso räumliche Möglichkeiten sollten ausreichend vorhanden sein.
Je nach Art der Behinderung muss die Betreuung für so ein Tier individuell organisiert werden.
Der Beginn einer Pflegschaft ist meist die aufwendigste Phase. Die anfänglichen Untersuchungen sind meist sehr kostspielig jedoch unerlässlich, um das Ausmaß der Erkrankung des Tieres bestmöglich feststellen zu können, denn nur dann ist eine optimale Versorgung in Zukunft gesichert.
Kosten für Blutlabor, Röntgen, CT, MRT weiterführende neurologische und orthopädische Untersuchungen betragen meist mehrere hundert Euro bis weit über tausend Euro. Weiters sind oft auch kostspielige Operationen nötig, um den Zustand des Patienten weiter zu verbessern und eine gute Lebensqualität zu ermöglichen. Im Anschluss an die grundlegenden Untersuchungen kann dann die Pflegschaft organisiert werden, immer individuell maßgeschneidert auf das betroffene Tier.
Entscheidet man sich ein behindertes Tier dauerhaft zu pflegen, sollte man sich neben dem deutlich erhöhten Zeitaufwand auch der laufenden Kosten bewusst sein, die ein behindertes Tier benötigt für eine sinnvolle gesundheitliche Betreuung.
Dr. Georg Mahr
Ärztlicher Leiter der „TierZahnAmbulanz“
Vereinstierarzt „Behinderter Hund – na und?“
1120 Wien
Breitenfurterstrasse 89
Als Beispiel sei hier der gelähmte Hund angeführt:
da viele gelähmte Hunde sowohl Harn- als auch Kot-inkontinent sind, müssen diese Tiere permanent Windeln tragen. Beim Anlegen der Windel sollte man auf die Passform achten und bedenken eine Öffnung für den Schwanz zu machen, das tägliche mehrmalige Windelwechseln sollte im Tagesablauf der Pflegestelle gut machbar sein. Eine regelmäßige Harn und Kotuntersuchung ist in diesem Fall unerlässlich, da es sehr rasch zu aufsteigenden Infektionen kommen kann. Ebenso ist eine geeignete Physiotherapie ganz wichtig, um das Tier bestmöglich zu unterstützen und auch Fortschritte bei der Genesung zu machen. Diese Tiere benötigen meist auch spezielle Liegematten und Unterlagen um das Wundliegen zu verhindern ebenso wie Verschmutzungen durch Exkremente.
Ein besonders wichtiger Punkt in der Betreuung behinderter Tiere ist das Organisieren und Anpassen von Hilfsmittelnwie Rolli, Orthesen oder auch spezielle Brustgurte. Diese Geräte müssen für jedes Tier individuell gefertigt und angepasst werden, denn ein falsch eingestellter Rolli kann große Schmerzen und Fehlbelastungen verursachen, daher ist es unerlässlich zum Fachmann zu gehen.
Für viele Besitzer behinderter oder kranke Hunde wird auch das alltägliche Gassi-gehen zur nervlichen Belastung. Spott, Hohn, Intoleranz vor allem aus Unwissenheit wird zur täglichen Belastungsprobe. Tiere kommen meist besser mit ihren Behinderungen zurecht als der Mensch vermutet und zeigen das auch mit Lebensfreude, Elan und Spielvergnügen. Auch wenn es für Außenstehende manchmal nicht so aussieht, haben behinderte Tiere genauso viel Spaß am Leben wie gesunde Tiere. Mit der entsprechenden Rücksicht und Anpassung können die Besitzer mit ihren Schützlingen ähnliche Unternehmungen machen wie jeder andere auch, Sportveranstaltungen wie der „Handicap Day für behinderte Hunde“ bieten eine gute Möglichkeit wiedererlangte Fitness zu zeigen und sich dabei auch mit anderen zu vergleichen, es ist sehenswert wie engagiert diese Tiere ihr Bestes geben.
Es ist nicht immer einfach Tiere mit Behinderungen an ein neues Umfeld und neue Lebensumstände zu gewöhnen, da viele dieser Tiere aus dramatischen Situationen stammen und oft auch krankheitsbedingt kein oder nur geringes soziales Verhalten zeigen. Einfaches Streicheln oder auch Füttern kann bei diesen Tieren zur Herausforderung werden und benötigte langes und intensives Training, um die Tiere wieder an den Mensch und geordnete Lebensumstände zu gewöhnen. In solchen Situationen muss man auch oft Rückschläge verkraften wenn bereits Gelerntes wieder vergessen wird oder ein Tier aus alter Gewohnt wieder beginnt Futterneid zu entwickeln und schnappt oder knurrt. Es ist ein langsamer Prozess bis diese Tiere wieder lernen Vertrauen in den Mensch zu setzen und normales Verhalten zeigen, jedoch muss das auch laufend und dauerhaft trainiert werden.
Auch ein trauriger Punkt darf hier nicht vergessen werden: Wie in jedem Leben ist auch die Zeit mit einem behinderten Tier begrenzt und oft viel kürzer als mit einem gesunden Tier. Meist zeichnet sich das Ende deutlich ab und sollte aus übertriebener oder falsch verstandener Tierliebe nicht übersehen werden.
ABER: man darf ein Tier nicht einfach einschläfern nur weil es eine Behinderung hat und der Arbeitsaufwand und auch die Kosten zu hoch werden!
Bitte überlegen Sie gut, ob Sie so einer Situation dauerhaft gewachsen sind, ansonsten sind Spenden und moralische Unterstützung für anerkannte und qualitativ hochwertige Organisationen besser!